Fachbereich Rechtswissenschaften

European Legal Studies Institute (ELSI)


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European Model Rules on Long Term Contracts

Praktische Relevanz

  • Was gilt, wenn der Vertrag zwischen Plattformbetreiber und dem Produktanbieter einer Online-Plattform gegen das Wettbewerbsrecht verstößt?
  • Wie lange muss der Anbieter digitaler Produkte Updates und Upgrades anbieten und kann er diese Verpflichtung einseitig begrenzen oder beenden?
  • Welche Auswirkung hat es auf einen Nutzungsvertrag über Trainingsdaten für eine KI- Anwendung, wenn die Einwilligung zur Nutzung von darin enthaltenen personenbezogenen Daten widerrufen wird
  • Kann ein Lizenznehmer sich auch dann auf Gewährleistungsrechte berufen, wenn der Lizenzgeber das Schutzrecht an einen Dritten überträgt?

Dass nationales und europäisches Zivilrecht trotz der steigenden Bedeutung von Dauerschuldverhältnissen keine tragfähige Infrastruktur bereithalten, ist nicht mehr zeitgemäß.

  • From asset to access: Moderne Plattformen, die es ermöglichen, die Nutzung von Gütern durch mehrere Personen verlässlich und passgenau zu organisieren, fördern, verstärkt durch Nachhaltigkeitsziele, die Tendenz, benötigte Güter nicht zu erwerben, sondern lediglich vorübergehend zum Gebrauch zu nutzen.
  • Smarte Produkte: Verträge über digitale Güter weisen zunehmend Elemente von Dauerschuldverhältnissen auf, weil die Vertragsparteien in einem dauernden Austausch bleiben, um Geräte durch Updates und Upgrades auf aktuellem Stand zu halten.
  • Informationsgesellschaft: Verträge über die Nutzung von Wissens- und Informationsgütern gewinnen an Bedeutung. Für ubiquitäre Güter sind Kaufverträge nur die Ausnahme, Nutzungs- und Lizenzverträge sind die Regel.

Sowohl analoge Geschäftsmodelle (bspw. Vertriebsverträge, Merchandising, Franchising, Verlagswesen) als auch digitale (Plattformen, Internet of Things, Software as a Service) beruhen auf Nutzungsverträgen. Mit der weiteren Entwicklung von digitalen Technologien, insbesondere KI, werden neue Sektoren (Automobilindustrie, Agrar, Gesundheitsbereich) erfasst. Sie bedürfen einer klaren Regelung, die Rechtssicherheit schafft und Transaktionskosten senkt.


Forschungsbedarf


Bestehende Regelungen

Der bestehende europäische Acquis Communautaire enthält nur für einzelne Fragen sehr hetero­gene Regelungen, die ohne ersichtlichen Grund auseinanderlaufen. 

  • Im Recht des Geistigen Eigentums finden sich seit Ende der 80er Jahre gut etablierte Regelungen über Nutzungsrechte und Lizenzverträge. Diese sind jedoch spezifisch auf den jeweiligen Schutzgegenstand zugeschnitten (Unionsmarken-VO, Markenrechts-RL, Geschmacksmuster-VO, Geschmacksmuster-RL, Sortenschutz-VO). In jüngerer Zeit hin­zugetreten ist die Harmonisierung des Geschäftsgeheimnisrechts (GeschGeh-RL) sowie die Schaffung eines Einheitspatents (EPGÜ).
  • Das europäische Wettbewerbs- und Marktrecht reguliert die dauerhafte Nutzung fremder Leistungen durch eine Inhaltskontrolle und ein Missbrauchsverbot (GVO-TT, F&E-VO). Dies gilt auch für die in der Konzeption ähnlichen neueren Rechtsakte zur Regulierung des digitalen Mark­tes, die bestimmte Marktteilnehmer dauerhaften Pflichten zur Information, Transparenz oder Herstel­lung von Interoperabilität etc. unterwerfen (DMA, DSA).
  • Das Verbrauchervertragsrecht enthält Regelungen etwa in der Warenkauf-RL und der Digitale-Inhalte-RL sowie der RL über Urheberrecht im digitalen Binnenmarkt, die auch für Austauschverträge nachlaufende Pflichten der Parteien sowie Beendigungsmöglichkei­ten bei Nicht- und Schlechtleistung hinsichtlich dieser Dauerverpflichtungen vorsehen.
  • Auch im internationalen Privat- und Verfahrensrecht finden sich Ansätze für besondere Anknüpfungsregelungen für Miet-, Pacht- und Franchiseverträge (Rom-I-VO, EuGVO) sowie für die Behandlung von nicht vollständig erfüllten Verträgen bei Insolvenz einer Vertrags-partei (EuInsVO, Insolvenzrechts-RL-E).  

Auf nationaler Ebene bestehen – sieht man von den Umsetzungsvorschriften für die oben genannten Rechtsakte ab ­– nur sehr verein­zelte besondere Regelungen für Dauerschuld­verhältnisse. In Deutschland etwa im BGB, HGB, GWB sowie der InsO. Sie fügen sich weder zu einem konsistenten Vertragstypus zusammen, noch besteht für Vertragsparteien ein verlässliches dispo­sitives Recht, auf das sie bei der Vertragsgestaltung zurückgreifen können.


Regelungslücken & Bedarf für Model Rules

Das geltende Zivilrecht sieht keine allgemeinen Regeln für Dauerschuldverhältnisse vor. Selbst alltägliche Fragen lassen sich nicht verlässlich beantworten. Kann der Schuldner eine versprochene Leistung nicht wie geschuldet erbringen, ist nicht nur offen, welche Folge die Teil-unmöglichkeit auf die schon erbrachte Teilleistung hat, sondern auch, ob dem Nutzer ein (außer)ordentliches Kündi­gungsrecht zusteht. Trotz des evidenten Regelungsbedarfs fehlen bislang allgemeine Vorschriften für:

  • Form und Inhalt des Ver­tragsschlusses,
  • die Anpassung der Leistungspflichten nach Beginn der Vertragserfüllung,
  • die ordentliche und außerordentliche Kündigung sowie
  • den bei langfristigen Bindungen häufigen Wechsel einer Vertragspartei oder
  • die Zahlungsun­fähigkeit und Insolvenz einer Partei.

Diese Lücken gilt es durch Model Rules zu schließen.


Vorgehen

An dem Projekt sind alle zivilrechtlichen Lehrstühle des ELSI beteiligt. Dabei können sie an die Arbeitsmethoden der Study Group on a Euro­pean Civil Code, der Research Group on the Existing EU Law (Acquis Group) und eine Vielzahl von weiteren Vorarbeiten anknüpfen, die in Osnabrück oder unter Beteiligung von Mitgliedern des Instituts entstanden sind.

Es soll ein Netzwerk aus europäischen Post-Docs aufgebaut werden, das von Osnabrück aus koordiniert wird und zu regelmäßigen Forschungsgruppentreffen einlädt.

Zur Untersuchung der bestehende Regelungslücken wurde ein dreistufiges Vorgehen mit einem rechtsvergleichenden Ansatz gewählt:


Ziele

  • Entwicklung allgemeiner Grundregeln für Dauerschuldverhältnisse in Form europäischer Modellregelungen auf rechtsvergleichender Basis.
  • Analyse rechtlicher, öko­nomischer und technischer Unterschiede der verschiedenen Anwendungsfelder von Langzeitverträgen.
  • Bildung von Untertypen für wichtige Güter und Dienstleistungen (bspw. Plattformen, Daten, IP) um Entwicklung eines konkreten Pflichten- und Rechtsfolgenprograms für diese. 

Ergebnisse

Die European Model Rules on Long Term Contracts können den (europäischen) Gesetzgeber inspirieren oder von den Vertragsparteien in ihre Vereinbarung inkorporiert werden. Gesetzliche und privatautonome Re­gelung würden die Rechtssicherheit stärken und Transaktionskosten senken. 

Die erarbeiteten Modellregelungen werden in Working Papers und auf internationalen Konferenzen zur Diskussion gestellt und an­schließend gemeinsam mit den Länderberichten veröffentlicht.